Nach unserer Rückkehr aus der Ukraine bin ich oft gefragt worden, wie das denn so war vor Ort. Ob und wie man den Krieg irgendwie gespürt oder erlebt hat.
Uschgorod ist weit weg vom Zentrum der kriegerischen Auseinandersetzung. Mehr als 800 Kilometer von Kiew entfernt liegt die Stadt im Dreiländereck zu Ungarn und der Slowakei, mithin im äußersten Westen der Ukraine. Bei bestem Spätsommerwetter bot sich uns auch die Möglichkeit, die Innenstadt von Uschgorod kennenzulernen.
Im Stadtbild wies auf den ersten Blick nicht wirklich etwas auffällig darauf hin, dass sich das Land im Krieg befindet. Es wirkte alles recht normal und geschäftig. Und so schlenderten wir durch die Straßen, kauften in Supermärkten ein und saßen in Cafés. Und dann gab es sie doch, die untrüglichen Hinweise auf den Krieg, die — mutmasslich fernab von der eigentlichen Front — im Stadtbild präsent waren.
Zum Beispiel in Form von Sandsäcken, die an Hauseingängen öffentlicher Gebäude oder vor Kellerfenstern, die wahrscheinlich auch als Schutzräume genutzt werden, aufgestapelt waren.
Oder auch durch Plakatwände in Fußgängerzonen, die die gefallen Soldaten der Stadt in Portraits und Geburts- und Todesdatum darstellten und vor dem die Menschen Blumen und Kerzen niederlegen.
Hier die pittoreske Sankt-Georgs-Kirche und vis-a-vis eine neu errichtete Mauer mit Fotos von gefallenen Soldaten.
Während unseres Aufenthaltes ertönten mitunter Sirenen und gaben Luftalarm. Es machte aber immer den Eindruck, dass niemand in Hektik verfiel oder – wie empfohlen – Schutzräume aufsuchte. Das geschäftige Treiben ging einfach weiter.
Vor unserem Hotel, das direkt an der Grenze zur Slowakei lag, zeigte das Militär hin und wieder Präsenz und hielt Ausschau nach Männern im wehrfähigen Alter…
Uschgorod sei weit weg von der eigentlichen Front, gleichzeitig bietet das Dreiländereck und die direkte Grenze zur Slowakei einen gewissen Schutz. Und doch, der einzige noch intakte Flughafen in der Ukraine und sicher ein strategisches Ziel — so wurde uns gesagt — befindet sich in Uschgorod, keine zwei Kilometer von unserem Veranstaltungsort entfernt.
Im wahrsten Sinne des Wortes „sinnbildlich“ für die Situation vor Ort ist ein Foto von der Abschlussveranstaltung im Padiun. In einem Aula ähnlichen Raum in der großen Kultureinrichtung war die Manege und der Zuschauerraum eingerichtet.
Eine Etage höher gab es einen Rundgang, der zu weiteren Räumen führte. Von dort oben hatte man einen freien Blick auf den Veranstaltungsraum. Und so ergab es sich, dass ein Foto entstand, welches die Kinder bei ihrem Auftritt in der Manege vor ihrem Publikum in Aktion zeigt.
Was das Foto aber auch zeigt, sind auf der darüber befindlichen Etage im Hintergrund einige ehrenamtlich tätige Frauen, die zur gleichen Zeit der Show Tarnnetze für die Front knüpfen.
Symbolischer kann ein Foto nicht sein wie dieses, wo einerseits der Spaß und die Freude bei Kindern und Publikum vorherrschen, andererseits auf dem zweiten Blick die Dramatik des Krieges scheinbar so fürchterlich normal im gleichen Raum anwesend ist. Realität in Uschgorod.
Apropos „Show“: Bericht folgt.
(Ralf Pauli)