Der liebe Ralf Pauli ist mit dem gesamten Team gerade in Uschgorod in der Ukraine und schreibt einen Bericht über die Tage vor Ort, den wir Euch nicht vorenthalten möchten:
Liebe Freunde und Mitglieder von kids smile e. V.,
heute melde ich mich aus Uschgorod in der Ukraine. Wie Ihr wisst, sind das Team von Circus Soluna, Eduard Buraš von der slowakischen Organisation FEMAN und ich am letzten Sonntag hier angekommen, um mit Schüler_innen der Spezialschule für Kinder mit Einschränkungen (hauptsächlich hör beinträchtigt) wieder ein Kindermitmachzirkus Projekt durchzuführen.
Euch als Mitglieder möchte ich gerne zu aller erst und exklusiv über unsere Reise informieren. Gleichwohl ich bereits auf Instagram und Facebook einige Fotos veröffentlicht habe, gibt es doch Abseits dessen einiges zu berichten.
Was wahrscheinlich viele interessiert: wie ist die Lage vor Ort?
Ruhig, geschäftig und weitestgehend „normal“. Das Alltagsleben hier sieht nicht viel anders aus, wie in Bardenberg. Man muss schon genauer hinsehen, um Hinweise auf den bestehenden Krieg im Land mitzubekommen. Ein paar Sandsäcke hier und da, Gedenkstätte mit vielen Portraits der toten Soldatinnen und Soldaten der Stadt und augenscheinlich mehr Frauen im Stadtbild als Männer.
Letzteres kann man sich denken warum es so ist. Nicht nur, dass viele Männer Wehrdienst leisten, es gibt wohl auch einige, die sich eher „unauffällig“ verhalten, um nicht eingezogen zu werden.
Man sagt, dass mittlerweile rund 30% mehr Frauen Tätigkeiten leisten, die vormals Männern überlassen war. Der besondere Fachkräftemangel macht sich wohl an vielen Stellen bemerkbar.
Heute Morgen hatten wir zweimal Luftalarm, der jeweils nach gut einer halben Stunde entwarnt wurde. Dabei ist es jetzt nicht so, dass allenthalben Hektik oder Unruhe ausbricht. Eigentlich läuft auf den Straßen und im Hotel alles seinen gewohnten Gang. Schließlich ist die Front tatsächlich weit weg und Uschgorod liegt direkt an der Grenze zur Slowakei. Kiew ist mehr als 800 Kilometer weit weg, Charkiw 1.300 Kilometer. Auch wenn die Front so weit weg ist, bleibt doch die Erkenntnis, das ca. 40 Kilometer von hier im August eine Fabrik mit über 1.000 Arbeitsplätzen einem Bombenanschlag zum Opfer fiel. Der z.T. landesweit ausgerufenen Luftalarm bereitet mithin schon ein mulmiges Gefühl.
Wie läuft das Projekt?
Die Spezialschule, mit ihren vor allem hörbehinderten Kindern, leidet aktuell unter dem Mangel an Gas für die Heizung und Männer, die diese bedienen können. Durch die Kälte in der Schule bleiben einige zuhause bei ihren Familien. Nicht wenige sind gesundheitlich angeschlagen. Die Schule leidet unter dem Dekret, erst ab November wieder heizen zu können und Gas nur zum geringstem Preis einzukaufen. Mangelwirtschaft von Staats wegen, wenn man so will. Bei Hotels und Restaurants, die in privatwirtschaftlicher Hand sind, ist das nicht der Fall.
Trotzdem unterstützen die Schulleitung und Lehrerschaft unser „Leuchtturmprojekt“, an denen ca. 60 Kinder teilnehmen. Viele Kinder nehmen wie schon im letzten Jahr, jetzt wieder teil. Mit großem Spaß und viel Freude. Die Schulleiterin, Frau Natalia Ivanivna Buschko, berichtete uns, dass sich die Kinder im Vorfeld schon sehr darauf gefreut haben, dass Circus Soluna und das Team wiederkommen.
Geübt und aufgetreten wird wieder im „Padium“, einer großen städtischen Kultureinrichtung. Hier unterstützt uns die Leiterin, Frau Svitlana Ivanivna Hanushyna.
Soweit, so gut. Ein Wermutstropfen gibt es allerdings: die Zeit. Leider bleibt den Kindern zum ausprobieren und üben der verschiedenen Workshops aus organisatorischen Gründen, die ihren Ursprung im Schulablauf haben, weniger Zeit als ursprünglich geplant. Gleichzeitig bedarf es aber genau dem, denn es gilt den Besonderheiten von Alter, Einschränkung und Sprache Rechnung zu tragen, damit eine Show am Ende gut über den Manegenboden geht.
Nichtsdestotrotz gibt das Soluna Team um Birger Koch alles, damit unser Besuch ein Erfolg wird. Und das ist er! Denn schon heute lässt sich anhand der Fotos beweisen, wie viel Spaß die Kinder haben und mit welchem Eifer sie dabei sind. Und das ist die Hauptsachen!
Heute wurden wir in die Spezialschule zum Essen eingeladen. Die Tische bogen sich vor heimischen Leckereien! Neben dem Dank für unser kommen, gab es auch kleine Geschenke zur Erinnerung.
Auch wir hatten Geschenke mitgebracht. Zu aller erst habe ich der Schuldirektorin einen Blumenstrauß überreicht und unser herzliche Anteilnahme zum Tode ihres Mannes zum Ausdruck gebracht, der vor erst 4 Wochen verstorben ist. Man stelle sich vor, eine herausfordernde Zeit in der Schule und die Verantwortung der Sicherstellung eines reibungslosen Ablaufes, die o.g. kriegsbedingten Einschränkungen und dann das persönliche Schicksal. Mich hat das sehr berührt und ich habe eine große Hochachtung vor Frau Buschko und ihrer Leistung.
Ihr, dem stellvertretenden Schulleiter Yanik Cheipesh, der das Projekt operativ mit Lehrer_innen vor Ort begleitet sowie Frau Hanushyna habe ich – wie könnte es anders sein – jeweils eine große Geschenkkiste Aachener Printen und Pralinen überreicht.
Für die Schule überreichte ich zwei große Transportkisten mit vielen Materialien, mit denen die Kinder in der Schule Zirkus üben können. Was sie nach Auskunft von Herrn Cheipesh auch heute schon mit dem im letzten Jahr gespendeten Material z.B. im Sportunterricht tun.
An dieser Stelle bedanke ich mich ausdrücklich beim Team HENRYS GmbH, die ihre Materialien komplett gespendet haben! Von der Firma Diabolo konnten wir durch rabattierte Artikel sowie zusätzlichen Produkten profitieren – auch dafür herzlichen Dank! In dem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass der AK Asyl Vaihingen an der Enz bereits im Mai kids smile e. V. hat zukommen lassen, die für die Beschaffung von Material gedacht war.
Der letzte Tag
Donnerstag Vormittag findet die Aufführung bereits um 10 Uhr statt. Die ganze Schule und Eltern werden da sein. Gleichzeitig findet im Padium eine große Veranstaltung mit Vertreter_innen aller Schulen in der Region statt. Ca. 200 Pädagogen werden erwartet, die sich über die aktuellen Herausforderungen, die Versorgung und die Bewältigung der Energiekrise im Lichte des zu erwarteten schweren Winters austauschen und abstimmen werden. Vielleicht schauen auch sie vor ihrer Sitzung der Show ein bisschen zu und erkennen, welches Potential zur Stärkung von Kindern diese besondere kulturelle Maßnahme hat.
Eduard Buraš hat unterdessen dafür gesorgt, dass auch verschiedene Medienvertreter vor Ort sein werden. Zwei Fernsehsender waren schon mit Vorabberichten da.
Außerdem wird ein Leiter eines Jungeninternates erwartet, der sich die Veranstaltung anschauen will. Vielleicht gibt es hier einen weiteren Anknüpfungspunkt für unser Engagement.
Nach der Show heißt es packen, noch etwas für den Heimweg einkaufen und Mittagessen, bevor es über die Grenzen zurück nach Košice für eine letzte Übernachtung geht. Wenn alles glatt läuft, sollten wir in der Nacht von Freitag auf Samstag wieder zuhause sein.
Und dann?
Wir werden mit etwas Abstand zusammen mit Birger Koch von Circus Soluna Fazit ziehen und schauen, welche Möglichkeiten zur Fortsetzung unser Engagements der Spezialschule in Uschgorod, oder ob sich ggf. auch weitere Optionen bieten und wie wir den Weg gemeinsam gestalten.
In jedem Fall benötigen wir weitere Unterstützung! Insofern darf ich heute von hier schon für morgen für hier werben!
Bleibt uns bitte treu und Teil unserer Mission. Dafür schon heute aus Uschgorod meinen ganz herzlichen Dank, dass Ihr das bis hierhin möglich gemacht habt!
Viele Grüße aus der Ukraine, bis bald,
Ralf Pauli







